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Nachhaltige Lebensmittel – der Preis für das Gewissen?

Die Überwindung ist groß, für ein Produkt nur wegen eines angeklebten Hinweises tiefer in die Tasche greifen zu müssen. Und doch lohnt es sich rational betrachtet: Nachhaltige Lebensmittel sind die Waren der Wahl. Verschiedenste Auszeichnungen – vom EU-Bio-Siegel über Naturland- oder Biolandprodukte zu Demeter – sollen verantwortungsvolle Produktionsbedingungen garantieren. Durch einen bewussteren Umgang mit der Umwelt und der eigenen Gesundheit werden immer mehr nachhaltige Lebensmittel verkauft. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln hat sich in Deutschland von 2011 bis 2019 fast verdoppelt.

Doch der Boom hat seinen Preis. Steigt man vollständig auf Bio-Ernährung um, erhöhen sich die Ausgaben für Lebensmittel stark. In den Preisen werden neben dem Herstellungsaufwand auch die so genannten externen Kosten sichtbar. Diese spiegeln auch langfristige Konsequenzen der Produktion wieder. Eine Studie der Universität Augsburg ergab 2018, dass bei Berücksichtigung aller Kosten Lebensmittel sehr viel teurer wären. Auch die Preise für Bio-Lebensmittel müssten bei Übernahme sämtlicher externen Kosten steigen (etwa um 4% bei Äpfeln oder um 126% bei Fleisch). Dennoch werden bei konventionellen Produkten im Vergleich sehr viel weniger externe Kosten vom Verbraucher getragen.

Wer jede Ausgabe hinterfragt oder einfach eng bis zum Monatsende zu kalkulieren hat, steht vor einem Dilemma. Gerade Studierende ohne Vollzeit-Einkommen schieben den Kauf von Bioprodukten gerne vor sich her. Sie vertrösten ihr Gewissen auf später, wenn sie den Traumjob mit entsprechendem Gehalt haben. Leicht fällt bis dahin weiter der Griff zu konventionellen Produkten. Später werden schon noch genug nachhaltige Lebensmittel gekauft werden. Bio kaufe ich, wenn ich groß bin.

Denkstrukturen wie dieses Aufschieben sind auch in anderen Situationen gut bekannt. Lernen? Kann ich morgen noch. Doch bei nachhaltigen Lebensmitteln muss bedacht werden, dass die Entscheidung des Verschiebens auch zu Lasten Externer geht: Gewässer, Luftqualität, oder schlechte Arbeitsbedingungen. Unbestritten ist dennoch, dass immer auch das zur Verfügung stehende Budget berücksichtigt werden muss.

Doch warum kosten nachhaltige Produkte oft so viel mehr als konventionelle Lebensmittel? Natürlich sind die Produktionskosten durch die oft aufwendigere Herstellung höher. Diese höheren Preisen werden dann jedoch zusätzlich durch die verschiedenen Stufen der Wertschöpfung durchgereicht. Wie bei allen Lebensmitteln stehen die Produktionskosten für nur rund 10-40% der Gesamtkosten. Die sonstigen Kosten entstehen an weiteren Stellen bis zum Verbraucher, etwa in Logistik oder Vertrieb. Jede Stufe dieser Kette kalkuliert mit fixen Gewinnspannen, etwa einer 10%-Marge. Bei Bio-Lebensmittel basiert dieser Aufschlag nun jeweils auf den höheren Produktionskosten.

Damit verdient jede Stufe absolut betrachtet mehr mit nachhaltigen als mit konventionellen Produkten – obwohl sich die Leistung der Wertschöpfung abgesehen von der Produktion meist nicht unterscheidet. Meist verursacht nur die Produktion also höhere Kosten. Die anderen Stufen der Wertschöpfung profitieren dann davon, indem sie ihre Margen auf die höheren Kosten anwenden. Hinzu kommt, dass nachhaltige Lebensmittel trotz des starken Wachstums mengenmäßig nicht mit klassischen Produkten mithalten können. Gerade im Lebensmitteleinzelhandel basiert das Geschäftsmodell der Unternehmen auf Menge. Niedrige Nachfrage führt deshalb zu höheren Preisen.

Der nächste Griff zu einem Bio-Produkt kurbelt aber die Nachfrage weiter an – bis Lebensmittel aus nachhaltiger Herstellung schließlich normal und konventionell im besten Sinne sind. Bezieht man das in seine Überlegungen ein, kann vielleicht auch für Studierende schon heute die Einkaufsentscheidung zugunsten nachhaltiger Lebensmittel ausfallen. Und damit unbestritten einen Beitrag zu einer verantwortungsvollen Nahrungsproduktion leisten.


Weitere Infos bekommt ihr hier:

https://www.uni-augsburg.de/de/campusleben/neuigkeiten/2020/09/04/2735/
https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/warum-bio-lebensmittel-so-teuer-sind-100.html
https://taz.de/Studie-zu-Lebensmitteln-und-CO2-Ausstoss/!5687804/